Andrea Brummack
Das ist Andrea. Kinderschützerin, Autorin, Beraterin und Trainerin für Stille. Sie hilft Menschen mit einer nonverbalen Methode. Auch dann, wenn etwas Schlimmes passiert ist.
Ich habe Andrea im Spätsommer 2021 porträtiert und interviewt.
Andrea, womit hilfst du anderen Menschen?
Meine mobile Praxis ist wenige Kilometer von Tübingen entfernt. Hier finden Menschen Hilfe, die ausgeglichener, zufriedener und konfliktfreier leben wollen. Sie entfalten, was sie wirklich wollen und wer sie wirklich sind. Sie fühlen sich lebendig – egal, was war.
Eine Sitzung mit mir kann sehr tief gehen und dich neu organisieren. Zum Beispiel bei einem Trauma. Ein Fahrradunfall, eine schlimme Kindheit, blöde Beziehungen, ein sexuelles Erlebnis, das dich nicht mehr loslässt. Ich biete auch Lösungen an, wo Worte ganz fehlen.
Für Organisationen bin ich eine unterstützende Partnerin.
Wenn du mit Kindern arbeitest, zum Beispiel als Sozialpädagogin oder Erzieherin, in einem Bereich, in dem Missbrauch und Gewalt eine Rolle spielen, dann interessiert dich vielleicht die Frage, wie du auf Dauer gesund bleibst. Und wie du bei bösartigen Themen wie sexualisierter und ritueller Gewalt, übergriffigen Kindern und Jugendlichen, Krieg, Flucht und Menschenhandel die Nerven behältst. Darauf habe ich Antworten. Ich bringe Leichtigkeit mit – und ich nehme dir Druck.
Warum tust du das, was du tust? Was erfüllt dich daran mit Freude?
Das Thema Missbrauch begleitet mich schon seit einer Jugend-Freundschaft. Meine beste Freundin hatte in der Kindheit sexuelle Gewalt überlebt. Und die Themen Stille, Schweigen, Nicht-Sprachlichkeit liegen mir irgendwie nah. Da habe ich eine Begabung, die ich für das Sinnvollste einsetzen will, das ich finden konnte. Und ich habe eine kleine Affektstörung, die da sehr hilfreich ist, weil sie mir Abstand gibt. Diese Dinge haben sich dann zu einer Art Auftrag vermischt, wie eine Lebensaufgabe.
Es ist unglaublich erfüllend, dazu beizutragen, dass misshandelte Kinder ein normales Leben haben. Diese Arbeit lädt mich mit Freude auf – vor allem in den Sternstunden, wenn ich daran teilhabe, dass jemand aus einem Trauma heraustritt. Ich mag das Gefühl, Kreisläufe der Gewalt zu beenden. Und ich mag die Tiefe, die darin liegt. Hier kommt nicht einfach nur jemand vom Regen in die Sonne, sondern etwas Großes geschieht, das viele Menschen betrifft, und das wir, mit mir als Teil von einer Gemeinschaft, zusammen gestalten.
Gibt es es Mythen, die dir in deiner Arbeit immer wieder begegnen?
Der Mythos vom Fremdtäter: No! Die meisten sexuellen Übergriffe passieren im familiären Umfeld. Was noch weniger bekannt ist, dass mittlerweile ein Drittel der Sexualstraftäter Jugendliche sind.
Der Mythos von der Gerechtigkeit: No! Wenn du sexuelle Gewalt erlebt hast, kannst du keine Gerechtigkeit erwarten. Unser Rechtssystem hat Lücken und deshalb bist du meistens auf dich selbst gestellt. Ein Sexualstraftäter wird sehr selten bestraft. Er weiß warum, und du ahnst es vermutlich auch: Ihr seid beide die einzigen Zeugen, er tut alles dafür, dass er nicht verhaftet wird, die Justiz macht es ihm leicht. Deine innere Ruhe musst du davon unabhängig finden. Es ist tatsächlich so, dass die Härten nach dem Erlebnis zu dem Erlebnis noch dazukommen.
Der „Lost“-Mythos: No! Es stimmt nicht, dass du für immer gezeichnet bist und dass das so bleibt. Die Folgen von sexuellen Übergriffen kannst du lösen. Und das ist hunderttausendmal wichtiger als alle Betroffenheit, in die dieses Thema dich und dein Umfeld versetzen kann.
Wie sieht die Welt aus, in der du gern leben möchtest?
Ich wünsche mir eine Kultur der Freundlichkeit und Einsicht. Vielleicht ist es Frieden, oder kennst du das Wort Bliss? Ich träume von einer Welt, in der Kinder und Frauen sich sicher und beschützt fühlen.
Wenn du mit deinem jüngeren Ich sprechen könntest, welchen einen Rat würdest du dir geben?
Mach dich locker, das wird schon – du bist am richtigen Ort.
Und lass die Sonne auf dich scheinen – das Leben ist so schön.
Wie war unser Shooting für dich?
Ich habe mich sicher gefühlt. Gesehen und identisch.
Deine Fotos leuchten mich aus. Sie übersetzen meine Persönlichkeit in kleine Augenblicke, die ich behalten will. Und andere können gleich sehen, wie ich lache oder gehe oder teile, was ich liebe oder gerne tue. Vielleicht weil du das Licht so einfängst, dass Bewegung sichtbar ist, ich weiß es nicht. Möglich, dass das Schönheit ist, oder?